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Memelland und Ostpreußen

Wenn man für Reisen ins Baltikum die lange Anfahrt durch Polen scheut, gibt es als Alternative die Fähre von Kiel nach Klaipeda (deutsch: Memel). Ich will hier mal über meine Erfahrungen mit dieser Verbindung berichten.

 

Die Fähre verkehrt täglich und verlässt Kiel um 21:00. Man ist dann am nächsten Tag um 17:30 in Klaipeda. Hin und zurück kostet die Überfahrt 177 EUR, wenn man nur den Ruhesessel nimmt. Nichts für mich. Ich habe vor Ort noch 1 Bett in einer 4er-Kabine gebucht (je 45.-) und hatte das Glück auf der Hinfahrt nur einen Mitnutzer zu haben und auf der Rückfahrt gar keinen. Die Preise für Essen und Trinken an Bord sind oK, Bier z.B. 0,5L für 3,50. In Klaipeda angekommen, habe ich wie einige andere motorfahrende Passagiere im Hotel Memel, das günstig nahe der Altstadt und dem Brauereiausschank von Svyturys liegt. Was kann man so machen in Klaipeda? Vielleicht nach Karkle fahren und sich im Nationalpark erklären lassen, wie man Bernstein findet. Aber als Motorradfahrer will man eigentlich ja nur Motorrad fahren. oK, das habe ich dann auch ab dem folgenden Nachmittag gemacht. Mein Ziel war der russische Teil Ostpreußens, also das Gebiet Königsberg*. Die Grenze von Litauen zu Russland ist der Fluss Memel, von dem die Region auch ihren Namen Memelland hatte. Bis 1919 gehörte das Memelland zum Deutschen Reich. Das merkt auch noch heute: gut ausgebaute Strassen und viele fest installierte Blitzer. Der Grenzübergang nach Russland ist in der kleinsten Stadt Litauens (265 Einwohner), Panemune (deutsch: Übermemel). Auf der anderen Seit der Memel liegt dann Tilsit*. Für die Einreise nach Russland braucht man ein Visum, was bis zu 90 EUR kosten kann, wenn man keine Einladung hat. Eine solche Einladung lassen sich die Beschaffungsdienste bezahlen (rund 20 EUR). Das Geld kann man sich unter Umständen sparen, wenn einem das Hotel in dem man übernachten will eine solche Einladung schickt. Hat bei mir schon mal bei einer Reise nach St. Petersburg funktioniert. Die Einreise nach Russland mit einem Fahrzeug ist immer etwas unberechenbar. Für mich war es dieses Mal das vierte Mal und wieder etwas nervig. Mit dem Motorrad kann man sich natürlich vordrängeln und wird dann vom russischen Grenzpersonal gleich an die Schalter weiter gewunken. Problemlos ist die Passkontrolle. Hier wird nur geschaut, ob ein Visum vorhanden ist. Dann muss aber das Fahrzeug beim Zoll angemeldet werden. Dieses Mal hat der Beamte das Zollformular für mich ausgefüllt, weil offenbar keine mit englisch-russischen Text vorhanden waren. Aber dann war wohl der Drucker für den QR-Code defekt und ich musste 45 Minuten warten (alle anderen an der Grenze natürlich auch). Bei der Ausreise aus der EU wird übrigens auch genau geschaut, ob das Fahrzeug eventuell geklaut ist. Man sollte schon wissen, wo die Rahmennummer angebracht ist. Das wird kontrolliert. Schließlich konnte ich einreisen. Was kann man so machen in Tilsit*? Sehenswert ist schon mal der Grenzübergang mit der Luisenbrücke. Dann gibt es Militärmuseum im Freien (T-34, davor eine Steinplatte mit deutscher Inschrift: Halt und verbeugt Euch dem legendären T-34 zu ehren). Dann kann man noch billig tanken (0,70 EUR/L). Am nächsten Tag ging es weiter nach Insterburg*, die Stadt am Pregel. Vom Schloss dort sind nur noch Ruinen übrig. Weiter ging die Fahrt über Nebenstraßen nach Cranz* an der Kurischen Nehrung. Cranz entwickelt sich gerade zu einem erstklassigen Tourismusort, was aber nicht unbedingt gut sein muss. Zumindest ist alles schick rausgeputzt, auch die deutsche Vergangenheit lässt sich an vielen Gebäuden noch erahnen Königsberg habe ich übrigens ausgelassen, weil ich da 2010 schon mal durchgefahren bin https://forum.2-ventiler.de/vbboard/showthread.php?12972-die-baltische-Runde). Das Befahren der Kurischen Nehrung (Naturschutzgebiet) kostet 300 Rubel. Schöne kurvige Straße, aber durchgängig auf 60 km/h beschränkt. Landschaftlich wunderschön, an den engen Stellen der Nehrung kann man in wenigen Minuten vom Ostseestrand zum Kurischen Haff laufen. Tipp fürs Mittagessen: Restaurant Fischhoff in Rossitten*. Die Kurische Nehrung gehört zur Hälfte zu Russland, die andere Hälfte zu Litauen. Vor der Grenze kann man noch mal den Tank mit billigem Sprit vollmachen. Der Grenzübertritt auf der Kurischen Nehrung ist kaum frequentiert und alles ging ratzfatz. Die Litauer nehmen einem aber sofort 5 EUR für das Befahren des Naturschutzgebiets ab. In Litauen sieht dann natürlich alles viel schicker als in Russland aus. In Nida, dem ersten Ort nach der Grenze kann man das Thomas Mann-Haus besuchen und die Italienische Szenerie bewundern, die Max Pechstein 1935 in seinem Bild Boote am Strand verewigt hat. Wie 2010 musste ich bei der Fährüberfahrt zurück nach Klaipeda nichts bezahlen. Die Fähre zurück nach Kiel fährt um 22 Uhr ab, Ankunft ist am nächsten Tag um 17:00. Das war noch früh genug, um noch die Rückfahrt nach Berlin (350 km) anzutreten.

 

Fazit: Kürzester Weg von Berlin nach Klaipeda, dem Tor zum Baltikum über die Kurische Nehrung sind 900 km. Das kann man in 2 Tagen schaffen (siehe meine Reise 2010). Mit der Fähre schafft man die Strecke in 1,5 Tagen und erspart den Reifen 550 km und dem Portemonnaie zwischen 30 und 40 EUR Spritkosten. Allerdings hat mich die Fähre 133 EUR pro Weg gekostet.

 

 

 

* Ich habe in diesem Bericht die deutschen Namen verwendet, weil die russischen Namen für mich zum Teil unaussprechlich sind. Hier die heutigen Namen: Königsberg: Kaliningrad; Tilsit: Sovetsk; Insterburg: Tschernjachowsk; Cranz: Zelenogradsk; Rossitten: Rybatschi

 

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